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CUSANUS TRÄGERGESELLSCHAFT TRIER MBH: AUS DEN EINRICHTUNGEN emotionalen Misshandlungen, 12 Prozent von körperlicher Ge- walt, 12,5 Prozent haben sexuellen Missbrauch erlebt. 14,5 Pro- zent der Befragten berichteten von schwerer oder extremer Ver- nachlässigung. Über die Befragung der Erwachsenen kann man auf die Anzahl der heute betroffenen Kinder schließen. Denn die Zahlen bleiben – leider – relativ konstant. Konkret heißt das: Mindestens jedes zehnte Kind benötigt dringend Hilfe. Für betroffene Kinder und Jugendliche braucht es profes- sionelle Anlaufstellen in Form von Kinderschutzambulanzen, um neben einer adäquaten Diagnostik und Therapie vor allem auch angemessene Hilfe zur Aufarbeitung und neuen Alltags- gestaltung zu erhalten. Bislang fehlte eine solche zentrale Anlaufstelle im Kreis Kleve. Zu der Region mit rund 320.000 Einwohnern gehört auch die Stadt Geldern. Um diese Lücke zu schließen, machte sich im vergangenen November eine Arbeits- gruppe unter Leitung der Kinderschutzärztin Dr. Katharina Ketteler im St.-Clemens-Hospital auf den Weg. Ihr Ziel ist eine qualitativ hochwertige Versorgung jeglicher Fälle von Kindes- wohlgefährdung durch ein multidisziplinäres Team (geschulte Ärzte, P egende, Psychologen/Psychiater/Psychotherapeuten, Fachberater, Sozialarbeiter, Erzieher). Im ersten Schritt bildete sich eine neunköp ge interdiszi- plinäre Kinderschutzgruppe. Ärzte und P egende aus dem Kran- kenhaus bekommen dabei Unterstützung durch eine zerti zierte Schreibaby-Therapeutin und Familienberaterin, eine systemi- sche Psychotherapeutin und eine Kinder- und Jugendpsychiate- rin. Die Gruppe trifft sich einmal wöchentlich, um die aktuellen Fälle und anstehenden Aufgaben im Team zu besprechen. Das bedeutet aber nicht, dass betroffene Kinder und Jugendliche nur während dieses Zeitfensters kompetent betreut werden. Im Gegenteil. Für Kinder in Not ist mindestens ein geschulter An- sprechpartner rund um die Uhr im Einsatz. Dazu wurde eine 24-h-Notfall-Nummer eingerichtet. Aktuell wird das interne Netzwerk um externe Kooperationspartner wie Jugendämter, Kriminalpolizei, Frühförderstellen, Beratungsstellen und eine rechtsmedizinische Gutachterin ausgebaut. Ein weiterer wesentlicher Baustein für die Arbeit sind Kin- derschutzschulungen für Personen, die im Rahmen ihrer Tätig- keit Kontakt mit Kindern und Jugendlichen haben. Der erste interne Schulungsblock, u. a. für Mitarbeitende der Kinderkli- nik, der Geburtshilfe, der Notfall-Ambulanz sowie der Abtei- lungen für Chirurgie und Radiologie, hat bereits stattgefunden. Ein zweiter wird im Sommer angeboten. Anschließend kann die Maßnahme in externen Einrichtungen wie Schulen oder Kinder- tagesstätten durchgeführt werden. Die Kinderschutzambulanz arbeitet nicht kostendeckend. Im Gegenteil. Pro Jahr entstehen Kosten in sechsstelliger Höhe. Für das laufende Jahr hat das Land NRW Fördermittel in Höhe von 30.000 Euro zugesagt. Eine verbleibende Lücke schließt das Krankenhaus aus Eigenmitteln. »Das Kindeswohl sollte uns allen am Herzen liegen«, erklärt der Kaufmännische Direktor Chris- toph Weß. »Gerade als christliches Krankenhaus müssen wir uns dieser Verantwortung stellen und dürfen beim Schutz von Kindern und Jugendlichen nicht auf Zahlen schielen. Deshalb haben wir uns für den Aufbau und die dauerhafte Fortführung der Kinderschutzambulanz entschieden. Wir hoffen, dass wei- tere Spender und Förderer diese wichtige Arbeit unterstützen.« Die Kinder kommen auf unterschiedlichen Wegen in die Kin- derschutzambulanz. Einige werden direkt über die Jugendämter vorgestellt, die einer Anzeige auf Kindeswohlgefährdung nach- gehen. Andere werden von niedergelassenen Ärzten gemeldet, die im Verdachtsfall die Unterstützung oder Beratung der Ex- perten suchen. Manchmal werden Anzeichen einer Misshand- lung auch bei Kindern entdeckt, die zur Behandlung ins St.-Cle- mens-Hospital kommen. Auffällig sind Verletzungsmuster wie beispielsweise symmetrische Verbrühungen an den Extremitäten mit handschuh- oder sockenartigem Bild oder Wunden und Hä- matome an Körperstellen, die typischerweise nicht beim Spielen entstanden sein können. Vermehrte Aufmerksamkeit ist auch geboten, wenn Eltern mit den Kindern verzögert den Arzt auf- suchen – z. B. einen Tag nach Entstehung der Verletzung –oder den Sachverhalt widersprüchlich schildern. Bei Verdacht auf einen Fall von Misshandlung oder Miss- brauch hat eines Priorität: Den oder die betroffenen Kinder und Jugendlichen vor weiteren Übergriffen zu schützen. Dazu gehört auch die Arbeit mit den Eltern, die häu g nicht aus Böswillig- keit handeln, sondern aus Überforderung. Dann benötigen sie Hilfe, um den Teufelskreis zu durchbrechen. Im Idealfall nden Eltern bereits Unterstützung, bevor die Situation eskaliert. Aus diesem Grund gibt es eine Eltern-, Baby- und Kleinkindberatung mit Schreibaby-Sprechstunde, die bereits seit Jahresbeginn die Arbeit der Kinderschutzambulanz ergänzt. Text & Foto: Stefanie Hamm Zur Kinderschutzgruppe im St.-Clemens-Hospital gehören (v.l.n.r.): Chefarzt Dr. Karsten Thiel, Kinderschutzärztin Dr. Katharina Ketteler, Schreiba- by-Therapeutin und Famili- enberaterin Monika Hanßen, Oberärztin Susanne Schade, Kinderkrankenschwester Anja Rüter und der Leitende Oberarzt Andreas Kaklowski. SPECTRUM 1/2019 35
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