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lägen beispielsweise auch bisher nicht genutzte Gestaltungsspielräume bei kirchlichen Trägern. Als eine Grundregel verwies Kranz auf die Moralphilo- sophie von Immanuel Kant, der zufolge jeder Mensch niemals bloß als ein Mittel, sondern immer auch als Zweck an sich selbst anzusehen ist. Im Anschluss boten vier Workshops Gelegenheit zu Austausch und Diskussion, die von Mitgliedern der Zentralen Ethik-Kommission geleitet wurden. Der Workshop «Stationsdrache« und »Pantoffelheld*in« — Resi- lienz stärken in Beruf und Familie«, moderiert von Dr. Michaela Lemm, Unternehmensberaterin im Gesundheitswesen und systemischer Coach für Changemanagement in der Personal- und Organisationsentwicklung, iden- ti zierte die Sinnhaftigkeit der beru ichen Inhalte als besonders wichtig. Im Privatleben sei es von Bedeutung, zu allererst den eigenen Vorstellungen zu entsprechen und nicht denen Dritter. Auch könnten Hilfsangebote wie Supervisionen dazu beitragen, Überforderungen zu identi zieren und zu kompensieren. Andrea Tokarski, Leiterin des Bereichs »Qualität, P ege und Entwick- lung« der Marienhaus Senioreneinrichtungen GmbH in Vallendar, leitete den zweiten Workshop mit dem Titel »Berufsalltag im Traditionskorsett – Institutionelle Zwänge prüfen«. Hier stellte sich ein Zwang, der vor allem bei Angehörigen älterer Generationen oft im Kopf herumgeistert, als beson- ders virulent heraus: »Sei perfekt!«. Zusätzliche Arbeitsbelastung aus Doku- mentations ut, DRGs, Sprachbarriere usw. führten auf dieser Grundlage zu einem getriebenen Tagesablauf. Weiterhelfen könnten hier Mitarbeiter mit Vorbildfunktion und interpersoneller Vertrauensstellung. Ein sogenanntes Schnittstellenmanagement, also sich gegenseitig verstehen lernen, Zwänge und Hierarchien abbauen und konstruktives Argumentieren würden zu mehr Spaß und weniger Zwang im Beruf führen. Georg Beule, Leiter der Stabsstelle Ethik und Werte der Marienhaus Stiftung und der ctt, moderierte den Workshop »Zwei Familien – zwei Berufe? Arbeitsplatz und Zuhause«. Die Teilneh- menden benannten ein höheres Maß an Flexibilisierung und mehr individualisierte Modelle, z. B. in Sachen Arbeitszeiten, Familienfreundlichkeit und Kinderbetreuung, als Faktoren, um nicht nur Angehörigen der »Generation Y« ein beru iches Engagement noch attraktiver zu machen. Der vierte Workshop trug den Titel »Alexa, hol‘ Zellstoff! – Arbeitsplatz 2030« und wurde von Dr. Michael Schelden, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Merzig moderiert. Den Ergebnissen dieser Gruppe zufolge könne eine Digitalisierung eine Erleich- terung des täglichen Arbeitsablaufes bewirken. Eine automatisierte Dokumentation, teils mit Spracherkennung, und die mobile Visite, also die Zuhilfenahme mobiler Endgeräte, die mit an das Patientenbett genommen werden können, erleichterten demnach die Arbeit. Als Probleme wur- den der Datenschutz und die Finanzierung der neuen Technologien genannt, deren Anbieter oft- mals ein Monopol innehaben und durch fehlenden Wettbewerb hohe Anschaffungskosten fordern können. Visionen bei der fortschreitenden Technisierung betrafen hauptsächlich den Einsatz der Robotik – sei es, um Operationen präziser durchführen zu können, oder um Botendienste (z. B. für Essen, Medikamente und natürlich auch Zellstoff) durchführen zu lassen. Die fortschreitende Technisierung müsse kritisch, aber wohlwollend begleitet und gestaltet werden – immer im Sinne einer Entlastung des Personals und Verbesserung des Patientenwohls. Hierbei dürfe allerdings die haptische und soziale Dimension nicht verloren gehen. Da Behandlungssituationen oftmals von Angst seitens der Patienten begleitet seien, müsse der Kontakt von Mensch zu Mensch immer gewahrt bleiben. In der abschließenden Podiumsdiskussion wurde ein ermutigendes Resümee gezogen. Es sei heute mehr denn je an der Zeit, zusammen zu stehen und, über Generationen und Hierarchie- ebenen hinweg, das Jetzt und die Zukunft zu gestalten – und das sei trotz aller Schwierigkeiten auch möglich. Privatleben und Beruf(ung) seien dann nicht gegenüberliegende Waagschalen, die es gilt auszubalancieren, sondern könnten komplementär ineinandergreifen und sich gegenseitig ergänzen. Sebastian Kahl, Foto: Heribert Frieling ETHIK SPECTRUM 1/2019 45
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