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Frage 1: Die aktuelle Corona-Pandemie stellt das Gesundheitssystem (und auch uns als Träger) vor eine große, um nicht zu sagen, noch nie dagewe- sene Aufgabe. Lassen sich aus den Erfahrungen der zurückliegenden Wochen bereits Erkenntnisse oder Empfehlungen für die Zukunft formulieren? Vielleicht ist es noch ein bisschen verfrüht, um jetzt schon Empfehlungen auszusprechen. Erst wenn die Co- rona-Pandemie überwunden ist, kann eine fundierte Analyse einsetzen und eine entsprechende Beurteilung vorgenommen werden. Für eine Entwarnung ist es jetzt noch zu früh, aber ein erstes Aufatmen in Deutschland ist sicher möglich, und insofern ist es auch möglich, ein erstes – vorsichtiges – Zwischenfazit zu ziehen. Die befürchtete schwere Belastung des Gesund- heitswesens ist uns bislang erspart geblieben. Und genau das war auch das Ziel, das wir in den vergange- nen Wochen mit den Maßnahmen des Pandemie-Plans verfolgt haben. Dass es bislang gelungen ist, die In- fektionsdynamik zum Wohle der Bevölkerung einzu- dämmen, hat natürlich auch einen Preis, dies im ganz wörtlichen Sinne, wenn Sie an das Wirtschaftsleben denken, aber auch an die Einschränkungen im gesam- ten sozialen Leben. Nun gilt es, sukzessive eine Locke- rung vorzunehmen. Hier haben wir auf allen Ebenen mit Unsicherheiten zu tun, denn uns fehlen bislang entsprechende Erfahrungen: Sie dürfen nicht verges- sen, dass wir seit den Tagen des 2. Weltkrieges keine vergleichbare Situation hatten. In der Güterabwägung wird zum Wohle der Gesundheit eine vernünftige Pri- oritätensetzung vorzunehmen sein, deren Folgen gute wie negative Konsequenzen nach sich ziehen kann. Frage 2: Die derzeitige Covid -19-Pandemie wird vermutlich nicht die letzte sein. Lässt sich im Hinblick auf die Zukunft sagen, wie wir uns darauf vorbereiten sollten? Wir werden das neuartige Coronavirus sorgfältig beob- achten, um zu sehen, wie sich das Virus weiter entwi- ckeln wird. Aktuell ist die Richtung nicht vorhersehbar, d. h. wir wissen z. B. nicht, ob es zukünftig weniger aggressiv und damit weniger krankmachend werden wird oder nicht. Wir können noch nicht sagen, ob es zu einem regelmäßigen Anfluten (wie z. B. die Influ- enza) kommen wird oder vielleicht sogar dazu, dass es nur einmal auftaucht und dann verschwindet (wie z. B. bei SARS-CoV-1 im Sommer 2003–2004). Daher müssen wir aufmerksam sehen, wie sich das weltweite Infektionsgeschehen in Bezug auf die Krankheitsver- läufe entwickelt. Es sind also viele Fragen offen, und insofern ist unsere Flexibilität gefordert, dass wir bei mangelnder Vorhersehbarkeit auf dem aufbauen müs- sen, was im Pandemie-Plan gut funktioniert hat. Frage 3: Virologen waren in der Öffentlichkeit noch nie so nachgefragt und populär wie heute. Brau- chen wir künftig mehr Virologen und hatte die ak- tuelle Situation Auswirkungen auf Ihr persönliches Verhalten im Alltag? Wir sollten schauen, welche Berufsstände in der Co- rona-Pandemie besonders gefordert waren, wo wir Optimierungsbedarfe haben und welche Stärkungen vorzunehmen sind. Das möchte ich nicht auf einen Berufsstand reduziert wissen, sondern lege das ge- samte Gesundheitswesen zugrunde, so denke ich­ z. B. auch an den öffentlichen Gesundheitsdienst. Mein persönliches Verhalten, z. B. beimEinkau- fen ist auch nicht viel anders als sonst. Ich habe bis- lang noch keine Mund-Nasen-Schutzmaske im Alltag getragen, werde das aber gemäß der Maskenpflicht zukünftig tun. Für mich ist es nicht entscheidend, dass wir Ge- oder Verbote mit Sanktionen umsetzen, sondern Menschen davon zu überzeugen, sich der Si- tuation angepasst und angemessen zu verhalten. Be- kanntermaßen gehört hierzu die Kontaktreduzierung, ein Mindestabstand von 1,5 Meter, die Einhaltung der Nies-Etikette und eine ausreichende Handhygiene. Nur mit dem Tragen einer Mund-Nasen-Schutzmaske ist es nicht getan, denn das verleitet dazu, sich in einer fal- schen Sicherheit zu wiegen. Wichtig ist, dass wir uns bewusst machen, dass uns das Virus weiter begleiten wird und deshalb das Zusammenspiel aller Maßnahmen in unserem Verhalten praktiziert werden muss. Interview: Dr. Claudia Gerstenmaier, Foto: privat Spectrum 1/2020 11

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