CTT
► Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie irgendwo in einem unserer vielen ctt -Häuser Ihren Dienst tun: Ich schreibe diese Zeilen Anfang April, mitten in einer der größten Herausforderungen, der sich unsere Weltgemein- schaft stellen muss: Der Covid-19-Pandemie. Lesen wer- den Sie diesen Artikel aber erst viel später, irgendwann nach Pfingsten im Juni. Ich habe in diesen Tagen gelernt, dass die Halbwertszeit von Informationen und Einschät- zungen äußerst kurz ist. Dennoch wage ich eine Sicht auf die Dinge, von der Sie im Juni selbst entscheiden müssen, ob sie noch passend ist. Ich möchte für Humor werben, für Humor in jeder Lebenslage. Also auch trotz oder besser gerade wegen dieser Pandemie! Vielleicht denken Sie – wo soll es denn bitte an- gesichts der Covid-19-Pandemie etwas zu lachen geben? Gab es doch schon vor der Krise in unseren Einrichtun- gen ständig Einsparungen und Personalabbau, was uns dann in der Krise ein Höchstmaß an Stress und Belas- tung beschert hat. Die Arbeit nimmt stetig zu, der Kran- kenstand ist hoch, die Bezahlung deutlich ausbaufähig – und die Hauptthemen, um die es bei uns hier in unseren Krankenhäusern und Altenheimen geht, sind Krankheit, Gebrechen und Tod. Und möglicherweise haben Sie er- lebt, wie Ihnen anvertraute Patienten oder gar in Ihrem Umfeld liebe Mitmenschen am Virus gestorben sind. Was, um alles in der Welt, soll es denn da zu lachen geben? Ja, es stimmt, dass der Krankenhausalltag im All- gemeinen und die Corona-Pandemie im Besonderen von Ernst, Anspannung und Leid geprägt sind, aber umso dringender scheint es mir deswegen geboten, dem et- was entgegenzusetzen! Und da ist der Humor eine ganz wunderbare Haltung! Warum? Das will ich Ihnen gerne erklären. Zunächst gilt es, ein Missverständnis auszuräumen. Humor oder über die Dinge zu lachen bedeutet ja keines- wegs etwas lächerlich zu machen oder etwas zu entwer- ten! Eine Haltung, die das tut, wäre eher Zynismus oder Sarkasmus. Echter Humor scheint mir aber hingegen eine Haltung zu sein, mit der ich ausdrücke, dass mir eine belastende Situation zu Herzen geht, ich aber dennoch handlungsfähig bleiben möchte. Humor, das ist also die Fähigkeit des Menschen, sich von den Widrigkeiten des Lebens nicht verschlingen zu lassen, sondern vielmehr lachend auf Distanz zu ihnen zu gehen, um sie so zu relativieren und sich selbst zu schützen. Humor schafft also Befreiung, und sei es auch nur für eine kurze Dauer und nur das eigene Erleben betref- fend. Aber was heißt eigentlich angesichts von Tod und Schmerz »nur«? Diese Distanz ist oft das Entscheidende, die uns zu überleben hilft! Humor ist eine machtvolle Gegenmacht zur alltäglich erlebten Ohnmacht im System Krankenhaus! Das konnten wir im Verlauf der Covid-19-Pandemie gut beobachten. Schon zu Beginn haben Menschen über einzelne Aspekte dieser Situation Witze gemacht, wie z. B. über das Händewaschen oder über das Horten von Toilettenpapier. Humor ist ein einfaches, kostenloses und erfrischen- des Mittel der Selbstermächtigung. Denn wenn wir uns Wie man mit Humor jede Situation überstehen kann ohnmächtig fühlen, erlangen wir darüber ein Stück un- serer Handlungsfähigkeit zurück. Und Humor schafft et- was, mit dem wir uns, wenn wir ernst bleiben, oft sehr schwertun – er stellt die scheinbar so fest gefügte Welt des Alltags und auch des Unglücks einfach auf den Kopf. Regeln des Anstands oder der Logik werden dann außer Kraft gesetzt und das klingt dann halt bisweilen verrückt oder absurd! Dabei entdecken wir dann manchmal einen komi- schen Widerspruch oder eine kleine Hintertür, die uns selbst das Leid erträglicher machen. Oder wir sind so- gar in der Lage, scheinbare Gegensätze, die das Leben oftmals bietet, spielerisch zu vereinen. Der Witz darf aussprechen, was wir uns in der political correctness oft verbieten. So wird aus schwarzem Humor manchmal im wahrsten Sinne des Wortes der Galgenhumor. Gerade in seiner Schärfe liegt für mich etwas Tröstliches und An- rührendes zugleich. Unterkriegen lassen? Nee! Darüber hinaus haben das Lachen und der Humor ja auch ganz positive, körperliche Effekte. Das Lachen lo- ckert die Muskeln, setzt Hormone frei, die uns den Stress besser bewältigen lassen, stärkt unsere Abwehrkräfte (nicht nur, aber auch in Corona-Zeiten Gold wert!!!), för- dert die Durchblutung und bringt so unseren Kreislauf in Schwung. Wir können wieder freier atmen. Der Humor wirkt sich kognitiv aus. Er erweitert unseren Denk-Hori- zont, macht uns versöhnlicher unseren Kollegen und Vor- gesetzten gegenüber und die Arbeit geht einfach leich- ter von der Hand. Mal ganz ehrlich: Haben Sie dadurch, dass Sie griesgrämig geblieben sind, anstatt zu lachen, irgendeine Situation schon einmal besser bewältigt? Daher frage ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Haben Sie heute schon bei der Arbeit gelacht? Falls ja, dann beglückwünsche ich Sie, falls nein – lassen Sie sich diese Chance selbstinitiierter Gesundheitsförderung auf keinen Fall entgehen! Herzlichst Ihr Martin J. Naton, Klinikseelsorger in Geldern SEITE DER SEELSORGE Martin J. Naton ist Klinikseelsorger auf dem Gesundheits- campus in Geldern. SEITE DER SEELSORGE Spectrum 1/2020 21
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