CTT
FSJ und das Coronavirus Freiwilligendienste zwischen Orientierung und Verantwortung ► Es ist Anfang März, als die Welt sich zu verändern beginnt. Zunächst ist noch nicht ganz klar, was auf die Menschen zu- kommt, aber dann geht alles ziemlich schnell. Länder schließen ihre Grenzen und Vorsichtsmaßnahmen werden ergriffen. »Hän- de waschen nicht vergessen!« macht die Runde und plötzlich stehen junge Menschen mitten drin in einer Pandemie-Krise, weil sie sich für einen Freiwilligendienst entschieden haben. Einem Dienst, der größtenteils im sozialen und pflegerischen Bereich stattfindet – also genau dort, wo gerade die ganze Welt hinschaut. Wie gehen Freiwillige mit dieser Situation um? Wie geht Betreuung und Begleitung von Freiwilligen in einer Zeit, in der die persönlichen Kontakte auf ein Mindestmaß reduziert werden müssen? Diese Fragen haben sich Hans-Josef Börsch und Björn Butzen vom Freiwilligendienst der Marienhaus GmbH gestellt und sich auf die Suche nach Antworten gemacht. Auf der Internetseite des St. Franziska-Stifts in Bad Kreuz- nach findet sich neben einem Willkommenstext auch ein Link über aktuelle Informationen zum Coronavirus. Kurz, knapp und unaufgeregt, weist die ctt Reha-Fachklinik hier auf ihre Vorbe- reitungen und ihre Pandemiepläne hin, ohne dabei den Ernst der Lage zu verkennen oder ihn herunterzuspielen. Wie aber sieht das Ganze vor Ort aus, vor allem für die drei Freiwilligen, die in dieser psychosomatischen Einrichtung im Bereich der Kinderbetreuung von Rehabilitanden ihr Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren? Eine dieser Freiwilligen ist Vivien Buech. Sie ist seit August 2019 im St. Franziska-Stift und beschreibt ihre Situation so: »Die Arbeit mit den Kindern hat sich schon etwas verändert. Wir achten zum Beispiel darauf, dass nicht alle an einem Tisch sitzen, sondern genügend Sicherheitsabstand besteht. Außer- dem versuchen wir, mit den Kindern gemeinsam noch mehr auf die Hygiene zu achten, wie unter anderem durch das Händewa- schen. Das kann man zu einem kleinen Spiel mit den Kindern machen, dann geht das auch etwas besser. Aber nicht nur die Kinder von Patienten müssen betreut werden, sondern auch die von Mitarbeitenden, weil ja jetzt die ganzen Kindergärten geschlos- sen haben. Wir wechseln uns da untereinander als FSJler wöchentlich ab. Das ist dann immer eine gewisse Umgewöhnung, wenn man in dem einen Bereich weniger Kinder betreut hat, als in dem anderen.« Den Freiwilligen ist durchaus bewusst, wie wichtig Vorkehrungen und Schutzmaßnahmen für die Reha-Fachklinik sind, um einen Aus- bruch zu verhindern. So wird der tägliche Gang durch die »Schleuse«, der anfangs noch fremd und beklemmend erschien, zu ei- nem vertrauten Ritual, das deutlich macht, wie wichtig es ist, dass jeder Einzelne die Situation ernst nimmt. Für Vivien Buech ist es selbstver- ständlich, dass sie sich der- zeit nicht mit ihren Freunden trifft, um kein Ansteckungs- risiko für sich und ihre Um- gebung einzugehen. »Da muss jeder selbst mithelfen, auch wenn es schwerfällt, die Freunde nach der Arbeit nicht zu sehen und mit ihnen gemeinsam etwas zu unternehmen. Aber wir reden viel über Chats und sehen uns zumindest über Facetime, auch wenn das nicht das Gleiche ist«, erklärt sie. Auch in den Alten- und Pflegeheimen hat sich die Situa- tion der Pflege verändert. Ein derzeit bestehendes generelles Besuchsverbot als Schutzmaßnahme hinterlässt nicht nur bei Bewohnern, sondern auch bei den Mitarbeitern Spuren. Im Se- niorenheim St. Josef in Vallendar wird Roman Linke als FSJler seit November 2019 am Empfang eingesetzt. Hier hat er viel Kontakt mit den Bewohnern und kennt ihre Ängste. »Die al- ten Menschen sind teilweise verunsichert über die Schutzmaß- nahmen. Gerade Masken sind für sie befremdlich und flößen durchaus auch etwas Angst ein. Keinen Besuch empfangen zu können, oder nicht wie gewohnt rausgehen zu dürfen, ist eine Situation, die für alle schwer zu ertragen ist. Mich persönlich macht es etwas traurig, die Senioren so zu sehen, aber die Maßnahmen sind zum Schutz für uns alle wichtig. Ich hoffe nur, dass das alles irgendwann wieder vorbei ist und ein ge- regelter Alltag einkehren kann.« Durch die Pandemie haben sich auch seine Aufgaben etwas verändert. So ist er nun dafür zuständig, viele Dinge am Eingang nur noch in Empfang zu nehmen, um das Risiko einer Ansteckung für alle Beteiligten zu verringern. Auch er hält in seiner freien Zeit Abstand von Freunden und vermeidet Treffen. »Wir müssen gerade alle ein wenig vernünftig sein, damit wir die Sache möglichst gut in den Griff bekommen. Auch wenn es schwerfällt, auf gewisse Dinge zu verzichten – aber es hilft ja gerade nichts«, betont er. Etwas, was ebenfalls durch die Corona-Krise ein- geschränkt wurde, sind die Seminarwochen im FSJ, die derzeit aufgrund der bestehenden Anweisungen der Länder zur Schließung von Schulen, Kindergärten und Bildungseinrichtungen nicht stattfinden können. Hier haben sich Freundschaften entwickelt und die Frei- willigen vermissen den regelmäßigen Austausch mit anderen Freiwilligen und den Bildungsreferenten. Der Bildungsträger des Freiwilligen Sozialen Jah- res, die Marienhaus Freiwilligendienste unter der Leitung von Hans-Josef Börsch, versucht dem mit Vivien Buech Roman Linke TRÄGERÜBERGREIFENDES TRÄGERÜBERGREIFENDES Spectrum 1/2020 43
RkJQdWJsaXNoZXIy MzUyNzc=