CTT

Nebenwirkungen und Kosten von Individuali- sierung, Globalisierung und Ökonomisierung wurden und werden uns drastisch vor Augen geführt. Die Gefahr der Entsolidarisierung – lokal und global – mit den Folgen einer aus- einandergehenden Schere zwischen Arm und Reich steht uns vor Augen. Eine weitere Ver- armung gesellschaftlicher Gruppierungen und die existenzielle Not unzähliger Menschen ist nicht von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite können wir auch von eindrucksvollen und berührenden Erfah- rungen berichten, von Menschlichkeit und Nächstenliebe, Mitgefühl und sozialem En- gagement. Wie viele Menschen sind bereit, in ihrem Quartier ältere Menschen oder Nachbarn in der Quarantäne mit Lebensmitteln usw. zu versorgen. Erinnert sei an Verkäuferinnen und Verkäufer, an Lastwagenfahrer/innen, an Mit- arbeiter/innen der Müllabfuhr und viele an- dere Berufsgruppen, deren Arbeit man vor der Corona-Pandemie als minderwertig oder »nicht der Rede wert« eingestuft hatte. Ich denke an Ärztinnen und Ärzte mit ihren Teams, an die Damen und Herren in Sozialstationen, den Be- ratungsdiensten und in den Gesundheitsäm- tern. Und nicht zuletzt an die Politiker auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene, die unter hoher Stressbelastung weitreichende Entscheidungen zu treffen und zugleich für die Akzeptanz der getroffenen Maßnahmen zu werben haben. Damit wendet sich mein Blick auf Sie in der Hildegard-Stiftung und ihren Töchtern, der ctt sowie der ctt Reha. Im Namen unseres Vorstandes danke ich heute schon allen Mitar- beiterinnen und Mitarbeitern für die bisher ge- leistete Arbeit in diesem außergewöhnlichen und belastenden Jahr 2020. Dabei würdige ich ihre (Mehr)-Arbeit, die physischen sowie psy- chischen Belastungen und nicht zuletzt das gesundheitliche Risiko, das Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Akutkrankenhäusern und Reha-Fachkliniken, in Einrichtungen der stationären Altenhilfe, in jugendtherapeuti- schen Zentren usw. bis heute geleistet haben und weiter tun. Nicht zu vergessen sind unse- re Leitungskräfte sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung und im Bildungsbereich. Ausdrücklich erinnere ich an dieser Stelle auch an die Kolleginnen und Kollegen, die im Rahmen ihres Dienstes an Co- vid-19 erkrankt sind. In diese Situation hinein rufe ich noch einmal den Schluss der Geschichte von den sieben Stäben in Erinnerung: Der Vater aber sprach: »Wie es mit diesen Stäben ist, so ist es mit euch. Solange ihr fest zusammenhaltet, werdet ihr bestehen, und niemand wird euch überwältigen können. Wird aber das Band der Eintracht, das euch verbinden soll, aufgelöst, so geht es euch wie den Stäben, die hier zer- brochen auf dem Boden umherliegen.« Die Botschaft dieser Erzählung lautet für mich: Stark ist man in »Corona-Zeiten« nicht aus eigener Kraft und für sich allein, das haben uns die zurückliegenden Wochen und Monate eindringlich vor Augen geführt. Zusammenstehen und Zusammenhalten ist das Gebot dieser Stunde! Für eine Haltung des Zusammenstehens und des Zusammenhaltens wie auch ihre Verankerung in der Organisa- tionskultur unserer Stiftung und der Töchter mit ihren Einrichtungen werde ich mich ein- setzen und möchte Sie dafür gewinnen. Mitei- nander verbunden wie die sieben Stäbe wer- den wir auch die nächsten Monate bestehen und die Zukunft gestalten. Martin Lörsch, Foto: Anja Thinnes Professor Dr. Martin Lörsch ist stellvertretender Vorsitzender im Vorstand der Hildegard-Stiftung und verant- wortet in dieser Funktion auch den Bereich der Seelsorge. Er ist Professor am Lehrstuhl für Pastoraltheologie an der Theo- logischen Fakultät Trier und wurde 2018 zum Domkapitular im Bistum Trier ernannt. SEITE DER SEELSORGE Spectrum 2/2020 7

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