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Die aktuelle Corona-Pandemie stellt nicht nur Menschen in systemrelevan- ten Berufen vor große mentale Herausforderungen. Über Möglichkeiten, wie diese bewältigt werden können, sprach Professor Dr. Ottmar L. Braun in einem Interview im März mit uns. Zu den Forschungs- und Tätigkeitsschwerpunkten des 1961 geborenen Pro- fessors der Universität Koblenz-Landau gehört u.a. das Gesundheitsmanage- ment in Organisationen und die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belas- tung. Aus den Erkenntnissen auf dem Feld der Positiven Psychologie und des Selbstmanagement resultieren einige Tipps, die der versierte Experte als Unter- stützung im persönlichen Alltag empfehlen kann. an Professor Dr. Ottmar L. Braun Was kann jeder persönlich tun, um in der Ausnah- mesituation der Cornona-Pandemie psychisch gesund zu bleiben und zusätzlichen Stress zu vermeiden? Es gibt da einige Übungen, mit denen jeder für sich per- sönlich etwas Gutes tun kann. Als wichtigste Übung sehe ich den sogenannten positiven Tagesrückblick. Ziel ist es dabei, den Tag bewusst Revue passieren zu lassen. Einen Tag so zu einem guten Abschluss zu bringen, bedeutet insbesondere, darüber nachzudenken, welche drei Ereig- nisse gut gelaufen sind und festzuhalten, welche per- sönlichen Stärken dazu geführt haben. Aus der Positiven Psychologie weiß man, dass die regelmäßige Anwendung dieser Übung dazu führt, die positiven Gefühle zu stär- ken. In dieser Haltung können neue Kompetenzen er- worben und Erfolge erzielt werden. All dies führt wieder dazu, im Positiven zu bleiben. Alternativ bietet sich auch die Übung der Dank- barkeit an: Für was in meinem Leben kann ich dankbar sein? Um in die Haltung der Dankbarkeit zu kommen, empfiehlt sich die Anfertigung einer Liste einmal in der Woche. Ein Pleasure Walk, also ein Spaziergang in der be- wussten Wahrnehmung der Umgebung, bietet sich als Form der Achtsamkeitsübung an. Das Erkennen der Schönheit der Natur, deren Strukturen, deren Bachläufe etc. wirkt sich ebenfalls positiv auf das Befinden aus. Im Sinne einer Selbstfürsorge sind das – trotz aller zeitli- chen Limitierungen – gut investierte 45 Minuten. Ja, und dann gibt es natürlich viele andere Formen der Entspannung, um einem Burnout vorzubeugen, wie beispielweise die Atemübungen und Muskelentspannung nach Jacobsen. 3 Fragen Für uns, als Mitarbeitende eines kirchlichen Trä- gers, steht das Wohl des uns anvertrauten Mit- menschen besonders im Fokus unseres Handelns. Welche Möglichkeiten sehen Sie, sich unterein- ander zu unterstützen und mental zu stärken? Was gut für das Individuum ist, ist auch gut für die Grup- pe. Hier empfiehlt sich ein gemeinsames und gegensei- tiges Erinnern im Alltag, etwa in Teamsitzungen, bei der Wochenplanung etc. Sowohl in Bezug auf die genannten Übungen ist dies denkbar als auch mit vielfältigen kleinen Aktivitäten: das Schreiben einer Karte oder eines Post-its mit einer aufmunternden, freundlichen oder lobenden Botschaft an den Kollegen, ein kleines Dankeschön, ein mündlich ausgesprochenes Lob, etc. Der Ernstfall tritt ein: Man wurde positiv auf Covid-19 getestet und befindet sich in häuslicher Isolation/Quarantäne. Welche Verhaltensmaß- nahmen haben sich Ihrer Erfahrung nach gut be- währt, und welche mentalen Strategien machen es möglich, diese Ausnahmesituation für sich selbst zu meistern? Als kleine »Erste-Hilfe-Maßnahme« hat sich im Krisenfall bewährt, das sogenannte Expressive Schreiben einzuset- zen. Wer nächtlich nicht zur Ruhe kommt oder von den Ereignissen des Tages bedrückt ist, sollte sich eine halbe Stunde Zeit nehmen, um sich quasi alles von der Seele zu schreiben. Auch hier gilt es im Sinne der Selbstfürsorge sich selbst zu stärken. Dazu gehört neben den Übungen aus der Positiven Psychologie die gesunde Ernährung und viel Bewegung – gerne im Freien und an der frischen Luft. Zudem bewirkt ein ausreichender Schlaf für die Stabilität wahre Wunder. Eine wichtige Hilfestellung dabei ist, den Tag mit einem positiven Tagesrückblick zu beenden. Interview: Dr. Claudia Gerstenmaier, Foto: privat UNSER CORONA-ALLTAG Spectrum 1/2021 11
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