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SEITE DER SEELSORGE Hoffnung und Zuversicht Unser aller Leben hat sich vor über einem Jahr stark ver- ändert und niemand hätte so etwas je vorhersehen können. Sogar unsere Sprache hat sich verändert. Die Pandemie hat neue Wortschöpfungen hervorgebracht. Von »Inzidenzwert«, »Impfstrategie«, »Lockdown« und »AHA-Regeln« sprechen wir nun. Viele Menschen haben diese Wörter den Nachrichten ent- nehmen können und ihrem Wortschatz zugefügt. Neue Regeln schränken unser Leben ein: Besuchsver- bote, Ausgangssperren und Abstandsregeln sind uns aufer- legt. Persönliche Kontakte, Treffen mit Freunden oder der Besuch bei Oma im Seniorenheim waren nicht oder nur ein- geschränkt möglich. Eigentlich ist es nicht notwendig, dies noch einmal auf- zuzählen, da wir tagtäglich von diesen Einschränkungen umgeben sind, aber all diese Veränderungen bestimmen und verändern derzeit unser Leben. Und das täglich von neuem. Mein persönliches Leben pendelt derzeit beispielsweise nur zwischen Wohnung und Krankenhaus. Sicher gibt es schlimmere Lebenserfahrungen in unserer heutigen Zeit. Sie geraten fast ins Abseits: die Krisengebiete mit Krieg und Terror, die Flüchtlingslager vor Europas Toren, die immer häufigeren Klimakatastrophen. Woher Hoffnung und Zuversicht schöpfen? Woher die Gefühle nehmen, die es um unsere Herzen warm werden lassen? Die Gefühle, mit denen wir auch andere Menschen anstecken können? Sehnen wir uns in unseren Herzen und für unser Miteinander nicht nach mehr als Urlaub, Ausgehen und den oft so angesagten Events? Und: Sind diese Gefühle nicht die Kernbotschaft unseres christlichen Glaubens? Hoffnung: Das ist unsere Ausrichtung auf die Zukunft. Nicht als die oft erwünschten »besseren Zeiten«, sondern als meinen Lebensweg, den Gott mit mir geht. Zuversicht: Das ist »festes Vertrauen auf eine positive Entwicklung in der Zukunft, auf die Erfül- lung bestimmter Wünsche und Hoffnungen.« So umschreibt der Duden diese Haltung an das Gute zu glauben: Und der Glaube umschreibt Zuversicht als das Gute, das in mir ruht, das die Mitmenschen mir schenken und das letztendlich von Gott her kommt. Immer halbvoll ist das Glas für den Menschen, der sich Hoffnung und Zuversicht im Herzen bewahrt. Es ist Licht am Ende des Tunnels für den, der eben diesem Licht entgegen- schaut und nicht immer angstvoll ins Dunkle zurückblickt. Ja, unser Leben hat sich verändert. Aber wirklich nur zum Negativen? Ist mein Glas halbvoll und kann ich das Licht schon sehen? Oder muss ich nochmal in mich hineinhören und Ausschau halten nach Hoffnung und Zuversicht in mei- nem Herzen. Und wenn diese guten Gaben auch noch so klei- ne Pflänzchen sind. Ich kann sie in mir blühen lassen, denn sie sind da, in mir. »Euer Herz sei ohne Angst«, so sagte es Jesus den Jün- gern nach seiner Auferstehung. »Es ist wie mit Hoffnung und Zuversicht wie mit zwei Wanderern, die auf einer schmalen, schwankenden Hänge- brücke eine tiefe Schlucht überqueren müssen. Der erste Wanderer hat sich Mut gefasst und ist drauflosgegangen: Die Brücke hat gehalten. Der zweite Wanderer hat diesen Weg noch vor sich. Fragen und Ängste lassen ihn noch zögern: Ob die Brücke auch diesmal trägt? Aber dennoch, er wird den Schritt auf die Brücke wagen, weil er weiß, sein Freund hat es geschafft, er ist nicht abgestürzt«*. Wenn mir also Hoffnung und Zuversicht ausgehen: Schauen wir auf ihn, auf Jesus, der schon auf der anderen Seite steht und der uns hilft, die Schluchten unseres Lebens zu überwinden – mit Hoffnung und Zuversicht. Ihr Pfarrer Ralf Hiebert Klinikseelsorger im Caritas-Krankenhaus Lebach Foto: privat * aus einer Predigt von Pfarrer Armin Sturm SEITE DER SEELSORGE Spectrum 1/2021 27

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